Vor einem Jahr veranstalteten zwei Schülerinnen des Abiturjahrgangs 2004 einen Benefizabend für Winged Fellowship Trust (WFT) – eine Organisation in England, die Urlaub für behinderte Menschen anbietet. Der gut besuchte Benefizabend erbrachte nicht nur einen Geldbetrag, sondern er sollte auch die Botschaft von WFT weitergeben: Auch behinderte Menschen brauchen einem einen Ausstieg aus ihrem Alltag – und vor allem ihre Pfleger, die oft aus der Familie stammen und sonst rund um die Uhr jeden Tag der Woche im Einsatz sind. Anna-Lena Bruchmann und Martyna Frankiewicz hatten auch zu diesem Benefizabend geladen, um Schülerinnen und Schüler zum Mitwirken zu überzeugen – als Freiwillige, denn die Arbeit von WFT wird erst durch jährlich über 6000 Freiwillige ermöglicht, die ihren Beitrag beisteuern.
Einer dieser Schüler, die an diesem Benefizabend dazu angeregt wurden, mitzuhelfen, war ich – allerdings sollte es noch über ein Jahr dauern, bis ich mich dazu durchringen konnte, mich auf diese aufregende, aber auch ungewisse Erfahrung einzulassen. Jetzt liegt diese Woche Freiwilligenarbeit hinter mir und ich möchte mit diesem Bericht versuchen, einen Einblick in eine für viele wohl sehr fremde Welt zu geben. Die Organisation, die seit kurzem „vitalise – essential brakes for disabeld people and carers“ heißt, leistet seit über 40 Jahren einen Beitrag zur Betreuung von behinderten Menschen und seit ebenso langer Zeit gehören Freiwillige aus vielen Ländern der Welt zum Alltag der Zentren. So traf ich in „Jubilee Lodge“, einem Vitalise-Zentrum in der nähe von London Freiwillige aus Tschechien, Rumänien, Chile, Italien und sogar Japan, die für eine, zwei oder vier Wochen ihre eigene Zeit anderen zur Verfügung stellten – und das ist im wahrsten Sinne des Wortes wörtlich gemeint: Für die Freiwilligen sind die Woche wahrlich kein Urlaub: Die Unterkünfte sind spärlich und man arbeitet meist 14 Stunden am Tag: Um 7 Uhr aufstehen, den Gästen beim aufstehen helfen, gemeinsam frühstücken, auf Unternehmungen gehen, Abendessen, Unterhaltungsprogramm am Abend, ins Bett gehen – und das alles nicht für sich, sonder in erster Linie für die Gäste. Das heißt ganz konkret: Manche Gäste müssen gefüttert werden, mit anderen unterhält man sich, man führt Gäste im Rollstuhl durch Museen – kurz: man hilft bei den täglichen Bedürfnissen, die behinderte Menschen oftmals nicht ohne Hilfe meistern.
Das alles klingt nach harter Arbeit und weniger nach Ferien – und doch war diese Woche für mich eine der interessantesten und erfahrungsreichsten Ferienwochen, die ich je verbracht habe. Während ich zugegebener Maßen mit einigen Vorbehalten gegenüber behinderten Menschen angereist bin, ist mein Bild heute ein vollkommen anderes, und ich denke, dass diese Erfahrung für alle „Voluteers“ eine ganz zentrale Bedeutung hat. Man lernt, dass behinderte Menschen nicht anders sind als nicht behinderte – es sind schließlich auch Menschen. Auch sie können sich freuen, können sich unterhalten, haben interessante Geschichten zu erzählen, können raten und warnen… und auch wenn sie manches nicht oder nicht alleine können, sind sie doch bemüht, das, was sie können, selbst zu tun – und so war es für mich eine der ersten Erfahrungen, mit einem Gast nicht wie mit einem Kind umzugehen, ihn nicht zu bevormunden, sondern zu fragen, wo er Hilfe braucht – schließlich weiß er das am Besten. Wenn auch die Kommunikation manchmal nicht einfach war, war jedoch immer freundliches Personal vor Ort, um die Freiwilligen bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
Ich kann hier wahrlicht nicht alles aufzählen, aber ich möchte dazu anregen, die Welt einmal von einer anderen Seite kennen zu lernen, gemeinsam zu lachen, zu leben und zu helfen – die Fotos können davon vielleicht einen Eindruck vermitteln.