Im Rahmen des FAZ- Projektes „Jugend schreibt“, an dem der PW-LK von Fr. Ohmes-Hapke teilnimmt, ist am 21.08.13 ein Beitrag von Laura Wittich (Q3) zum Thema „Ungewöhnliche Geschäfte“ veröffentlicht worden. Ein schöner Erfolg!
Und hier der Artikel von Laura:
Stolz, aber eingeschnürt! – Ein Kasseler Atelier hat sich auf Korsetts spezialisiert
Zunächst einmal stellt sich die Frage, wer oder was sind Midinetten?
Am 27. August 1949 legten um die 12 000 Midinetten in Paris ihre Arbeit nieder, um für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu streiken. Damit verhinderten sie die bevorstehenden Pariser Herbstmodenschauen, was es zuvor noch nie gegeben hatte und die Macht der Schneiderinnen demonstrierte.
Als moderne Midinette sieht sich die Inhaberin des Kasseler Schneiderateliers „Die Midinetten“.
Michaela Kirschberger arbeitet mit Herzblut an ausgefallenen und einzigartigen Kleidungsstücken. Vor allem die Korsetts haben es ihr angetan. Doch ist ein Korsett überhaupt noch zeitgemäß? Wird es außerhalb von Bühnenshows oder im Theater noch getragen? Ihre zu erwartende Antwort lautet: Ja.
Das Korsett bietet für jede Frau, egal ob kurvig oder schlank einen entscheidenden Vorteil: Es formt seiner Trägerin eine tolle und weibliche Taille. Damit es aber perfekt sitzt, ist eine Maßanfertigung zu empfehlen. Wenn ein Korsett das erste Mal getragen wird, fühlt man sich zunächst wortwörtlich zugeschnürt und eingeengt. Jedoch erfüllt es die Trägerin auch mit Stolz und Selbstbewusstsein, die Haltung wird augenblicklich aufrechter.
Das Korsett kann sowohl den Charakter als auch den Ausdruck der Trägerin unterstreichen, erklärt Michaela Kirschberger. Nach ihrer Ausbildung zur Damenmaßschneiderin absolvierte sie zusätzlich ein Vollzeitstudium zur Gestalterin im Handwerk an der Werkakademie Kassel. 2007 eröffnete sie ihr Atelier. Seitdem erfüllt sie die Wünsche ihrer Kunden, egal, ob Konfirmations-, Tages-, Abend- oder Brautkleid, ob aus Samt- oder Spitzenstoff.
Einmal wurde sie von einem Brautpaar beauftragt, das Hochzeitskleid anzufertigen. Das Kleid war so gut wie fertig und hing auf einer Schneiderpuppe im Laden. Als der Bräutigam die Schuhe zur Anprobe vorbeibringen wollte und die Ladentür öffnete, stürmte die Schneiderin zur Tür und schrie: „Halt, Sie können nicht einfach so hier hereinkommen!“
Der verdutzte Mann wunderte sich, was passiert sei, worauf er die Antwort bekam: Wenn der Bräutigam das Brautkleid vor der Hochzeit sieht, bedeutet das Unglück.
„Solche lustigen Momente kann man oft erleben, wenn man mit so verschiedenen Leuten arbeitet“, erklärt die Ladeninhaberin. Jung und Alt, Frau und Mann, jeder kommt in ihren Laden. Bei den Männern handelt es sich um transsexuelle Herren, die sich durch die Korsetts eine weiblichere Taille wünschen.
Die handgeschneiderten Unikate, die Michaela Kirschberger anfertigt, haben dagegen ihren Preis. Mit 500 Euro und mehr sind sie nicht gerade ein Schnäppchen.
Die Arbeit der Midinetten wurde nicht besonders wertgeschätzt, sie erhielten kaum Anerkennung. Meistens mussten sie zu mehreren in kleinen und engen Ateliers schneidern. Ihren französischen Namen, der „Mittag“ bedeutet, haben die Schneiderinnen von der Pariser Bevölkerung erhalten. Zu ihren mittäglichen Pausen gingen die Frauen eine Kleinigkeit essen. Dabei fielen sie vor allem durch ihre bunten Kleider auf und erhellten damit den harten Arbeitsalltag der Pariser.