Wie bringt man diese innere Zerrissenheit, die Faust in eine Existenzkrise stürzt, auf die Bühne? Indem man den Protagonisten doppelt besetzt und beide Seelen in Disput setzt miteinander. Dies nur eine der hervorragenden Regie-Ideen, mit denen die diesjährige Inszenierung des Oberstufentheaters das Publikum überraschte. Goethes „Faust I“ hatte man sich vorgenommen – eine Herausforderung, denn wie oft ist dieser Klassiker nicht schon gespielt worden!
Dass man auch dieses Drama in einer frischen Inszenierung immer wieder neu entdecken kann, bewies das Ensemble unter der Leitung von Josef-Goebel-Pflug einem begeisterten Publikum. Atmosphärisch dicht, in einem reduzierten Bühnenbild aus schwarzer Folie und klug ausgeleuchtet entfaltete sich das Stück eindrucksvoll in einer textgetreuen Umsetzung.
Die Darsteller agierten souverän und loteten differenziert das Innenleben der Figuren aus – allen voran Ariane Herberg als wundervoll diabolischer Mephisto, Torben Bunzenthal und André Hoppe als alter und junger Faust mit all seinen inneren Konflikten und Laura Engelmann als Margarete, ebenfalls zerrissen zwischen der Liebe zu Faust und Verwurzelung in Tradition und Religion. Auch alle weiteren Rollen waren hervorragend besetzt und boten ein eindrucksvolles Zusammenspiel – ein gelungener Theaterabend – verdienter lang anhaltender Applaus.
Und noch etwas machte diese Inszenierung zu einer ganz besonderen: Mit ihr verabschiedete sich Josef-Goebel-Pflug als Leiter der Deutsch-Oberstufen-Theater-AG. Seit 1991 hat er immer wieder Schülerinnen und Schüler für das Theater begeistert und mit vielseitigen Inszenierungen große Erfolge gefeiert (wie z. B. den hessischen Schultheaterpreis 2013 für Büchners „Woyzeck“). Wir werden ihn sehr vermissen. Vielen Dank für all die wundervollen Theaterabende!
Angela Reiss