Um der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 60 Jahren zu gedenken, kamen am Sonntag, den 30. Januar 2005 mehrere hundert Menschen zu einer Gedenkfeier zusammen, zu der die Katholische Kirche Kassel, die Christlich-Jüdische Gesellschaft Kassel und die Engelsburg in der St. Familia-Kirche geladen hatten. Die Kirche war gut gefüllt, als Pfarrer Fischer nach einem Orgelvorspiel von T. Pieper (Regionalkantor) die gekommenen Gäste begrüßte und zum Gedenken zu Ehren der Opfer aufrief. Nur durch eine gelebte Gedenkkultur könne verhindert werden, dass die unsagbaren Schreckenstaten der NS-Diktatur nicht in Vergessenheit gerieten und sich ein solches Ereignis nicht wiederholen könne.
Im folgenden Vortrag sprach Dr. Christoph Münz über die „unfassbare Frage“, die sich beim Gedenken an das „Unsagbare“ für die Menschen stelle: Wie man nach Auschwitz noch an Gott glauben könne. Er verglich diese Frage mit der Antiken Sagengestalt der 12-Köpfigen Hydra, deren Köpfe zweifach nachwuchsen, wenn man sie abschlug. So verhalte es sich auch mit der „unfassbaren Frage“, die man nicht einfach beantworten könne, sondern der man sich nur durch die Erinnerung der Geschichte und der praktischen Tat nähern könne.
Man müsse sich fragen, was es für die Menschen damals bedeutete, unter grausamsten und menschenunwürdigsten Bedingungen des Holocausts zu leiden und zu leben – manche Handlungsweise der Leidenden werde dadurch verständlicher, auch ihr Glauben, dessen Existenz sich an vielen Zeugnissen Überlebender erkennen lasse. Ob man angesichts des Leides in der Welt noch an Gott glauben könne, könne nur jeder für sich beantworten. Glauben sei eine Antwort auf den Holocaust, in dem man nicht selbst das Werk vollende, das Hitler durch seine Zerstörung begonnen habe. Entscheidend sei jedoch die Frage, welches Handeln aus den Erinnerungen an das millionenfache Leiden entstehe – und wie jeder Einzelne damit auf das Leid dieser Welt reagiere.
Chor und Orchester der Engelsburg gaben der Gedenkfeier einen würdevollen Rahmen, in dem sie zum Abschluss den Zweiten Teil des Christus-Oratoriums (Leiden Christi) unter Leitung von Herrn und Frau Kirchner zur Aufführung brachten.
Diese Gedenkfeier und auch ihre zahlreichen Besucher zeigten einmal mehr, wie wichtig es ist, angesichts des immer noch existierenden Antisemitismus und aktuellen politischen Entwicklungen dem Vergessen die Erinnerung entgegenzusetzen und sie immer von neuem in das eigene Handeln mit einzubeziehen.