Merle Grönlund berichtet von den Kasseler Begabtentagen 2023:
Vor 80 Jahren – Kassel zwischen Zwang und Zerstörung: Unter diesem Thema haben in diesem Jahr die „Begabtentage Kassel“ stattgefunden und Cosima, Ben und ich aus der E-Phase durften unsere Schule vertreten.
Seit 2018 werden die Begabtentage Kassel veranstaltet, um Schüler:innen aus verschiedenen Schulen Kassels die Möglichkeit zu geben, sich über ein Thema, das alle besonders interessiert, auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen. Dieses Jahr war der alliierte Bombenangriff auf Kassel im Oktober 1943 der Anlass, um die Geschichte des Nationalsozialismus in Kassel zu thematisieren.
An zwei Tagen haben wir uns mit vielen Schüler:innen aus acht verschiedenen Kasseler Schulen über dieses Thema ausgetauscht und viel Neues gelernt. Der erste Tag begann im Stadtmuseum. Dort gibt es momentan eine Sonderausstellung über drei Etagen zu eben diesem Thema. Da die diesjährigen Begabtentage in Kooperation mit dem Stadtmuseum und der Gedenkstätte Breitenau stattfanden, waren von beiden Orten Expert:innen da, die uns mit Rat und Tat zur Seite standen.
Im Stadtmuseum wurden wir in Gruppen eingeteilt, um dann eine Führung zu einer Etage vorzubereiten. Jede Etage hatte einen anderen Fokus und viele Exponate, die wir untersuchen durften. Es war wirklich beeindruckend, wie schnell und effektiv wir uns in die jeweiligen Themen einarbeiten konnten, aber es war auch eine wirkliche Herausforderung. Am Ende hatte jede Gruppe eine Führung, die dann präsentiert und ganz besonders kritisch von den Expert:innen unter die Lupe genommen wurde. In der Ausstellung ging es vor allem um Kassel, die Rüstungsindustrie, aber auch um die Bevölkerung und die Alliierten während der Jahre 1933-1945. In einer Etage war sogar ein detailgetreu nachgebauter Luftschutzkeller vorhanden, sodass wir bei dessen Betreten die Situation der Bevölkerung während eines Luftangriffs nachvollziehen konnten.
Mit einem Ausblick auf den nächsten Tag hat der erste dann geendet. Am nächsten Morgen haben wir uns in der Gedenkstätte Breitenau getroffen, um dort den Tag zu verbringen. Auch hier haben wir viel Neues gelernt, zum Beispiel, dass Breitenau schon eine lange Geschichte des Einsperrens hat und nicht erst durch die Nazis zu diesem Zwecke genutzt wurde. Bei einer Führung durch das ganze Gelände haben wir viel über die Geschichte des „Arbeitshauses“, „frühen Konzentrationslagers“ und dann „Arbeitserziehungslagers“ gelernt.
Nach einer kurzen Mittagspause haben wir wieder in Gruppen zu einem bestimmten Thema gearbeitet. Dabei haben wir uns unter anderem mit Akten von Insass:innen und Wärter:innen, aber auch mit der rassistischen Gesetzgebung und dem historischen Ort beschäftigt. Auch hier mussten wir uns schnell in das neue Thema einarbeiten und es dann vor den anderen präsentieren. Es war erschreckend zu sehen, wie die Zwangsarbeiter:innen behandelt wurden und welche brutalen Mittel die Nazis eingesetzt haben. Selbst nach der Befreiung hat man in den Prozessakten von Wärter:innen deutlich die Denkmuster der Nazis gesehen. Zum Abschluss haben wir einen kurzen Filmausschnitt aus einer ARD-Dokumentation gesehen, in der es um Entschädigungen geht, nach welchen Kriterien man sie bekommt und welchen Personen sie vorenthalten werden, obwohl sie sie möglicherweise auch verdient hätten. Mit einer kurzen Abschlussrunde haben die Tage geendet.
Mein Fazit ist, dass ich auf jeden Fall viel gelernt habe. Der Nationalsozialismus ist ein schrecklicher Teil unserer Geschichte und wir müssen alles dafür tun, zu verhindern, dass so etwas noch mal passiert. Mir wurden die Jahre des NS-Regimes noch einmal auf anderen Wegen vor Augen geführt und dieser Teil, der, wie ich finde, so unvorstellbar grausam ist, dass er schon fast unwirklich wirkt, wurde realer.
Es war toll, mit Gleichaltrigen zu sprechen, die sich für das gleiche Thema interessieren und einen Teil von Kassel und der Umgebung kennenzulernen, der zwar in der Vergangenheit liegt, aber auf keinen Fall vergessen werden darf.
(Foto;: SMMP)